In den letzten Jahren befasste man sich in Neustadt verstärkt mit dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, insbesondere an die ermordeten Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens. So gab es Gedenkveranstaltungen zur Pogromnacht am 9. November, einen Stadtspaziergang zu jüdischen Orten in der Kernstadt, die Errichtung der „Bank der Erinnerung“ auf dem Rathausplatz und Zusammenkünfte am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.
In der vergangenen Woche kamen am 30. Januar rund fünfzig Interessierte im Historischen Rathaus zusammen, um Näheres zum Projekt „Stolpersteine“ der Klasse 10a der Martin-von-Tours-Schule zu erfahren.
Bürgermeister Thomas Groll konnte hierzu Kommunalpolitiker, Lehrkräfte der Schule, Dr. Annegret Wenz-Haubfleisch vom Arbeitskreis Landsynagoge Roth und den Künstler Hans Schohl, der die „Bank der Erinnerung“ gestaltet hatte, und dankenswerterweise auch Bürgerinnen und Bürger begrüßen.
In seinen einführenden Worten blickte der Bürgermeister u.a. auf den Tag der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 zurück. Er verwies darauf, dass die Nationalsozialisten nicht durch einen Staatsstreich an die Macht kamen, sondern durch eine legale Ernennung durch den Reichspräsidenten. „Die Weimarer Republik war eine Demokratie ohne Demokraten. Das darf uns in Deutschland nie wieder passieren. Wir müssen aktiv für Demokratie und Rechtsstaat eintreten“, so Groll, der den historischen Bogen über das Ermächtigungsgesetz vom März 1933 und das Ende des II. Weltkrieges am 8. Mai 1945 bis hin zur Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 spannte. „Am 16. März wollen wir beim Besuch der Bundestagspräsidentin ein deutliches Zeichen für unsere Verfassung und deren Grundrechte ablegen. Zudem planen wir für den 8. Mai einen Tag der Demokratie. Wir müssen der Erinnerung an über achtzig ermordete Jüdinnen und Juden aus Neustadt und Momberg ihren Platz einräumen, aber auch selbst klar für unser Gemeinwesen einstehen. Rechte und linke Ideologien dürfen nicht Platz greifen“, so Bürgermeister Groll.
Das Stadtoberhaupt begrüßte, dass die Klasse 10a mit ihrem Lehrer Roman Mehler das Thema „Stolpersteine“ aufgegriffen habe. Ein solches sensibles Thema müsse aus Mitten der Stadtgesellschaft aufgegriffen werden.
Mehler gab anschließend nähere Erläuterungen zum Projekt. Ihm sei wichtig, dass es zu einem wiederkehrenden Vorhaben werde und zukünftig in der Klasse 10 fest verankert sei. Die Verlegung des ersten „Stolpersteines“ strebe man für Januar 2025 an. Der Pädagoge dankte dem Stadtarchiv für die bisherige Unterstützung.
Sechs Schülerinnen der Klasse 10a sprachen dann zunächst die Gründe für Stolpersteine an. Hierbei fielen Worte wie Erinnerung, Gedenken, Respekt für Opfer und Angehörige. Der erste Stolperstein soll vor dem Anwesen Lehmkaute 7 verlegt werden. Hier lebte die Familie Stern. Es soll die Erinnerung an Harry Stern wachgehalten werden. Er wurde 1931 geboren und 1941 nach Riga deportiert. Stern überlebte das dortige Ghetto und kam 1947 in die USA, wo er 1999 verstarb. In den Vereinigten Staaten lebt u.a. eine Tochter von ihm.
Stadtarchivarin Andrea Freisberg berichtete über die jüdischen Gemeinden von Neustadt und Momberg und ging auf Textstellen in der Stadtchronik „Nova Civitas“ ein, die sie vor zwanzig Jahren gemeinsam mit Gerhard Bieker verfasste. Sie wird das Projekt der Schule für die Kommune begleiten.
Andrea Freisberg kündigte die Publikation eines neuen Buches zur Stadtgeschichte an. Möglichst 2025 soll das „Kriegstagebuch“ des örtlichen Sparkassen-Rendanten Johannes Keppler veröffentlicht werden. Dessen Texte von 1939-1945 würden dann auch eine wissenschaftliche Einordnung erfahren.
Zum Abschluss machte Bürgermeister Thomas Groll nochmals deutlich, dass sich die heutigen Verantwortlichen ihrer Verantwortung für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewusst seien.