Gelenau ist eine Kommune mit heute knapp 4.000 Einwohnern und liegt im Erzgebirge. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Städtchen 1256. Mit dem Aufkommen der Strumpfwirkerei ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die bis dahin überwiegend bäuerliche Wirtschaftsstruktur des Ortes stark verändert. Später wurde durch den Bau einer Spinnerei die Industrialisierung eingeleitet und es entstanden weitere Textilbetriebe vor Ort. 1992 wurde in Gelenau das erste deutsche Strumpfmuseum gegründet, dass nach mehreren Umbauten nun wieder regelmäßig geöffnet ist.
Seit 1789 ist der erste Strumpfwirker in der Familie Rössler in Gelenau nachgewiesen. 1900 entschloss sich das Ehepaar Louis Edwin und Anna Clara Rössler in dem sächsischen Ort eine Strumpffabrikation zu gründen. Darauf geht auch der spätere Firmennamen ERGEE (Edwin Rössler Gelenau Erzgebirge) zurück. Bereits als Kind musste Sohn Emil (geb. 1896) tatkräftig mithelfen. Ende der 1930er Jahre beschäftige Edwin Rössler über 1.000 Mitarbeiter in Gelenau und der Filiale Falkenbach. Nach dem II. Weltkrieg war die Familie in der nunmehrigen sowjetischen Besatzungszone Verfolgung ausgesetzt und die Enteignung durch die kommunistischen Machthaber drohte. Deshalb floh Emil Rössler 1949 in den Westen und gründete gemeinsam mit seinem Sohn Werner im hessischen Neustadt die Firma neu und nannte sie ERGEE. Kurze Zeit später folgte ein zweiter Firmensitz in Sonthofen im Allgäu. In den Jahren des Wirtschaftswunders wuchs das Unternehmen stetig heran und hatte 1971 vor dem Großbrand mit Millionenschaden über 1.500 Mitarbeiter. Bereits 1972 waren große Teile des Werkes wiederaufgebaut und ERGEE produzierte wieder. Die Firma trat in jener Zeit als Sponsor im Wintersport hervor und brachte neue Produkte auf den Markt. Nach dem Tod von Emil Rössler 1982, der für sein Wirken vielfach ausgezeichnet wurde, begann der langsame Niedergang des Unternehmens, der in der Schließung des Werkes Neustadt 1995 gipfelte.
In der DDR wurde das Stammwerk 1952 in volkseigenen Besitz überführt und es entstand der VEB Spezialstrumpfwerke Gelenau „Gelkida“ (Gelenauer Kinder und Damensocken). Nach der politischen Wende übernimmt 1990 die Treuhand das Werk und wandelt den VEB 1992 in die Gestruwa GmbH (Gelenauer Strumpfwaren) um. Nur wenige Jahre später folgte aber das Aus und Gelenau verlor sein wirtschaftliches Herz.
Der Anlass der Werksschließung in Neustadt vor nunmehr 30 Jahren bot den Rahmen für eine Ausstellung am 18. und 19. Oktober 2025 im Historischen Rathaus am Marktplatz und im Rathaus.
Der Gelenauer Lokalhistoriker Dr. Olaf Tautenhahn befasst sich schon länger mit der Geschichte der Firma ERGEE. Eine von ihm konzipierte Ausstellung mit dem Schwerpunkt auf den Stammsitz wurde von ihm nun mit Unterstützung von Stadtarchivarin Andrea Freisberg und Katharina Noell um Neustadt ergänzt. Im Historischen Rathaus waren zahlreiche Fotografien von der Firmengründung 1900 bis zum Abriss des Neustädter Werkes 2001 zu sehen. Der neu hinzugekommene zweite Teil der Ausstellung ergänzt um zahlreiche Zeitungsausschnitte repräsentierte ein Stück Neustädter Geschichte. In der Rathausvitrine wurden Erinnerungsstücke an ERGEE – von der Karnevalszeitung, über Essgeschirr und Arbeitskleidung bis hin zu Urkunden, Münzen, Strumpfverpackungen und dem berühmten ERGEE-Entchen ausgestellt. Danke allen, die Exponate zur Verfügung stellten.
Am 18. Oktober eröffnete Bürgermeister Thomas Groll, dessen Eltern auch bei ERGEE beschäftigt waren, die Ausstellung und freute sich, dass er über siebzig Interessierte begrüßen konnte. Unter den Gästen waren auch Willingshausens Bürgermeister Luca Fritsch, Stadtverordnetenvorsteher Franz-W. Michels und Erster Stadtrat Wolfram Ellenberg. Groll hieß stellvertretend für alle anwesenden ehemaligen Mitarbeitenden von ERGEE Christine Langer willkommen, die lange Jahre zur Firmenleitung gehörte. Er dankte insbesondere Dr. Olaf Tautenhahn dafür, dass dieser sein Wissen um die Strumpffabrik von Sachsen nach Neustadt gebracht habe. „Geschichte ist in der Regel fern, wir kennen sie nur aus Büchern und dem Fernsehen. Die Geschichte der Fa. ERGEE hingegen haben viele von uns live miterlebt. Wir waren bei Aufstieg und Niedergang dabei“, so der Bürgermeister. Er erinnerte auch an den Neustädter Ehrenbürger Emil Rössler und betonte, dass das Unternehmen über mehr als vierzig Jahre hinweg die Lokalgeschichte mitgeprägt habe.
Dr. Olaf Tautenhahn freute sich darüber, seine Ausstellung im Historischen Rathaus präsentieren zu können. Wie 1949 die Strumpffabrik so sei nun die Geschichte des Unternehmens nach Neustadt gekommen. Gerne stehe er für Gespräche zur Verfügung, denn dabei könne er immer noch Neues über ERGEE erfahren.
Dr. Tautenhahn verwies auch auf das von ihm verfasste Buch zur Geschichte der Firma ERGEE, welches zum Preis von 15 Euro ab sofort im NeuSTADTLADEN erworben werden kann. Auf 220 Seiten erfährt der interessierte Leser viel Wissenswertes über die Unternehmenshistorie. Dr. Tautenhahn lud dazu ein, die Fotos zu betrachten und in persönlichen Erinnerungen zu schwelgen.
Nach den beiden Reden betrachteten die Anwesenden die Exponate und immer wieder hörte man „Weißt Du noch …“ oder „Kennst Du die …“. Man kam also über ERGEE ins Gespräch. Damit hatte die Ausstellung ihren Zweck erfüllt.